Es gibt dummes und kluges Scheitern.
Dumm gescheitert bin ich oft genug: in Kinderschuhen, in Klassenzimmern, in Jobs und ununterbrochen in Beziehungen. Immer wieder habe ich mich bemüht, bemühe ich mich, es besser zu machen. Manches gelingt ja auch. Jedenfalls sieht es in gewissen Augenblicken so aus. Doch über kurz oder lang relativieren Fakten, Informationen und Einsichten oder andere Perspektiven etwas Gelungenes, werfen neue Fragen auf und verlangen neues Verhalten und handeln mit selbstverständlich neuen Unzulänglichkeiten.
Lange regte mich das maßlos auf. Irgendwann fing ich an, es hinzunehmen. Mich hinzunehmen. Wie ich bin: in jeder Hinsicht unvermögend. Bis ich, mehr oder weniger zufällig, im Wort gescheitert das Wort gescheit entdeckte. Was für ein Desaster?
Das Partizip gescheitert geht auf das althochdeutsche scheiden zurück, das bis heute spalten und trennen bedeutet. Das zugehörige Substantiv Scheit, im Plural die Scheite oder das Gescheit, bezeichnen gespaltenes Holz. Das Wort zerscheitern mit der Bedeutung in Stücke gehen kam im 17. Jahrhundert in die Sprache. Schiffe, die an Klippen zerschellten, zerscheiterten. Indessen ist das mittelhochdeutsche schīden eine Nebenform von scheiden, aus der, bevor sie wieder verschwand, gescheit im Sinne von (unter)scheiden (können), deuten und Entscheidungen treffen wurde, eine positiv besetzte Fähigkeit.
Ist es dann klug, scheitern und gescheit sein für etwas Entgegengesetztes zu halten? Mein Scheitern als eigenes Unvermögen zu erklären, anstatt die Verbindung zu sehen? Denn mit ihr ist es auf einmal möglich und, wie ich finde, schlüssig, Zufriedenheit und Selbstzufriedenheit als temporäre Sonderfälle des Scheiterns zu erkennen. So kann ich mich, ebenso temporär, sogar wohl damit fühlen und muss spontanem Gelingen keine übermäßige Bedeutung mehr zumessen. Auf dem Teppich bleiben, wird das auch genannt.
Und es nimmt viel Druck aus dem Kessel! Denn mit diesem Hintergrund muss ich gar nicht mehr alles richtig machen, muss gar nicht mehr unentwegt siegen und Erfolge feiern, um zufrieden und glücklich zu sein. Nur sollte mein Scheitern so gescheit wie möglich sein.
Tragödien heißen solche Vorgänge auf dem Theater. Ich denke, sie sind nicht nur sehenswert, sondern lebenswert.