Bambus

Seit fast vier Milliarden Jahren gibt es Leben auf der Erde. Der Ursprung der heutigen Flora und Fauna liegt mehr als 60 Millionen Jahre zurück. Seit ungefähr 200 000 Jahren gibt es Homo sapiens. Pflanzen kultiviert er seit ungefähr 12 000 Jahren.

Unser Zusammenleben in Horden und Sippen wird sich lange von dem der Tiere kaum unterschieden haben. Völker und die globale Menschheit, die wir unserer globalen Eskalation verdanken, sind Populationen, die andere Strukturen erfordern. Trauern wir den verlorenen im Anblick mächtiger Gewächse zuweilen nach? Sie werden eine ursprüngliche Inspiration gewesen sein. Ohne sie gut zu verstehen, haben wir sie imitiert, und je mehr es uns um uns ging, von ihnen entfernt, die Kommunikation verlernt, den Kontakt verloren. Die Folgen erleben wir sukzessive.

Beiläufig ist uns klar, dass wir uns im Wesentlichen nur wenig von anderen Lebensformen unterscheiden. Endlich sind alle und in ständigen Veränderungen auch entbehrlich. Das hören wir nicht gern. Lieber heben wir uns hervor, wollen über die hinauswachsen und bis das offensichtlich ist und unumkehrbar – eine Illusion! – sind wir darauf aus, uns von anderen abzugrenzen oder sie für uns auszunutzen. Ob das eine gute Idee ist?

Wenn wir die Komplexität des Lebens nicht verstehen oder ignorieren, kaum.  So hat uns das Anwachsen bisher vor allem Auswüchse beschert. Wo die Natur Zusammenhänge und Abhängigkeiten kreiert, perfektionieren wir Mauern und Zäune, angeblich um uns zu schützen. In gleicher Absicht errichten wir Hierarchien und bekämpfen die Umgebung, wo sie uns stört, zuletzt einander. Wir nennen das Verteidigung, in deren Namen wir immer weiter immer größere Kriege führen: um des lieben Friedens willen.

Wir sind verrückt. Nein: Menschen.

Bambus ist auf den ersten Blick ein Baum. Tatsächlich gehört er zu den rhizomen Ge-wächsen. Sie entstehen aus einem unterirdisch oder dicht über dem Boden angelegten System von Sprossachsen. Werden Teile davon beschädigt, zerstört oder entfernt, bleiben sie als Lebensform an Ort und Stelle.

Gilles Deleuze führt das Rhizom als Begriff in die Philosophie ein. Bei ihm ist es – im Unterschied zu Bäumen als unseren Vorbildern für lange nicht verstandene Strukturen – Metapher für eine alternative Art, sich zu strukturieren. In der Wissenschafts- und Kulturtheorie sind rhizome Konzepte inzwischen von erheblichem Interesse. Das Internet ist das beste Beispiel dafür. Und wiederum für Missbrauch. Insoweit sind wir verlässlich.